Viel mehr als Secco und Schorle: Wein aus Heidelberg
Text: Tobias Breier
18. April 2020
Es muss irgendwann Ende der Nullerjahre gewesen sein, ich war noch mitten im Studium. An einem der ersten Frühlingstage spazierte ich durch den hübschen Ortskern von Rohrbach und schaute hier und da auch in die etwas abseits liegenden Gassen. Plötzlich blieb ich vor einem mit Weinlaub umrankten Hoftor stehen und rieb mir verwundert die Augen: “Weingut Winter” stand da, die Türe war offen und es gab Wein zu kaufen.
Natürlich hatte ich schon oft vom Neckarufer aus die Reben am Philosophenweg gesehen, die auf mich aber eher wie Dekoration für Touristen wirkten. Gab es also in Heidelberg wirklich noch echte, alteingesessene Weingüter? In meinem jugendlichen Leichtsinn interessierte ich mich damals fast ausschließlich für Weine aus fernen Ländern. Nicht zuletzt, um mich vom Weinkeller meiner Eltern abzugrenzen, in dem vor allem Riesling aus Baden und der Pfalz lag. Das war für einen weitgereisten Möchtegern-Weinsnob wie mich natürlich viel zu banal! Ich trank lieber Sauvignon Blanc aus Neuseeland, Malbec aus Argentinien und kalifornischen Cabernet.
Doch an diesem Frühlingstag packte mich die Neugier: Ich kaufte mir eine Flasche trockenen Riesling, steckte ihn zuhause nach alter Studentensitte für 20 Minuten ins Gefrierfach und stellte überrascht fest, dass auch ein Literwein aus Rohrbach die Assoziation eines exotischen Fruchtkorbs hervorrufen konnte und dabei auch noch auf erfrischende Weise trocken war. Und das für einen Bruchteil des Preises, mit einem lokalpatriotischen Wohlgefühl und ohne das schlechte Gewissen wegen des umweltschädlichen Transports um den halben Erdball.
So nahm meine Leidenschaft für regionalen Wein und regionale Produkte ihren Anfang, die mich bis zum heutigen Tag immer wieder in die entlegensten Orte der Bergstraße, in Baden, Rheinhessen und der Pfalz führte. Aber auch bei Clauer hier in Heidelberg und Seeger in Leimen gab es für mich immer wieder spannende Weine zu entdecken. Dass im Karlstorbahnhof seit Jahren der Secco aus dem Hause Winter ausgeschenkt wird, freut übrigens nicht nur mich ganz besonders: Unser Publikum feiert den süffigen Stoff inzwischen unter dem Spitznamen “Setscho” als Kultgetränk.
Auf die Frage nach dem im Frühjahr in den Handel gehenden 2019er Jahrgang signalisiert Hans Winter auch bei den übrigen Weinen Zufriedenheit: „Das Jahr war in der Spitze nicht ganz so heiß wie 2018, aber gerade der Winter war noch trockener. Deshalb waren die Erträge sehr niedrig, die Qualität ist aber besonders beim Riesling sehr hoch.“ Ein erfreuliches Ergebnis, denn dem Riesling wird angesichts des Klimawandels oft eine schwierige Zukunft prophezeit.
Ich freue mich jedenfalls, am 18. April den neuen Jahrgang zu verkosten, denn an diesem Termin hätte der Tag der offenen Kellertüre in Rohrbach stattgefunden. Der fällt nun aus, genau wie das Gastspiel unserer Reihe Ab in den Süden beim Weingut Winter. Wir hoffen, dass beides bald nachgeholt werden kann und halten euch auf dem Laufenden!