Aufbruch UND Neuanfang
Rainer Kern über die Verbindung zwischen Enjoy Jazz und dem Karlstorbahnhof
25. Juli 2022
Vor kurzem wurde der 28. Oktober als Eröffnungstermin für den neuen Karlstorbahnhof bekanntgegeben. Ich freue mich sehr, dass unser Publikum in diesem Jahr sowohl am alten Standort als auch in der Südstadt Konzerte im Rahmen von Enjoy Jazz erleben wird. Außerdem freue ich mich, in diesem Blog etwas über die gemeinsame Geschichte unseres Festivals und des Karlstorbahnhofs zu erzählen. Diese begann vor fast 25 Jahren und stellt auf beiden Seite eine erstaunliche Erfolgsgeschichte in der Kulturlandschaft der Region und weit darüber hinaus dar.
Heute ist Enjoy Jazz ein großes Festival mit rund 70 Einzelveranstaltungen pro Jahr. Es bespielt die gesamte Europäische Metropolregion Rhein-Neckar mit den Zentren Heidelberg (UNESCO City of Literature), Mannheim (UNESCO City of Music) und Ludwigshafen. Es ist, darin zumindest sind sich „Der Spiegel“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einig, das größte Festival seiner Art in Deutschland. Für die renommierte französische Tageszeitung „Le Monde“ sucht Enjoy Jazz selbst „in Europa seinesgleichen“. Und in den USA wurde Ornette Coleman für ein bei Enjoy Jazz mitgeschnittenes Live-Konzert mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Doch der Weg dorthin war keine Hochgeschwindigkeits-Trasse, sondern ein Reise mit vielen, oft mühevollen Umstiegen, der verlässliche Partner brauchte. Die Anfänge des Festivals gehen auf eine Gelegenheit zurück, die sich unerwartet ergab und auf die ich unbedingt spontan reagieren zu müssen meinte. Die SAP, das globale Software-Unternehmen mit Sitz in Walldorf, hat 1999 die finanzielle Förderung für Kulturprojekte in Aussicht gestellt. Ich selbst war damals ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender einer ambitionierten soziokulturellen Einrichtung (und blieb es für die nachfolgenden 20 Jahre) und zugleich für deren Programmentwicklung mitverantwortlich. Die Rede ist, natürlich, vom Karlstorbahnhof, einem Impulsgeber und unverzichtbaren Ankerpunkt der regionalen wie der internationalen Kulturszene.
Schon viele Jahre hatte ich die Idee ein Festival im Kopf – Ein Festival für die Musik, für die ich ansonsten mindestens in die großen Metropolen Europas reisen musste. Dabei sollten zwei Aspekte von zentraler Bedeutung sein: Anders als bei den meisten Festivals üblich, sollten die Konzerte sich nicht überschneiden. Und natürlich sollte das Programm hinsichtlich der Künstler*innen und Genres diversifiziert sein, denn nur so können die Beziehungen des Jazz mit elektronischer und traditioneller Musik, Hip-Hop, Pop und Klassik, aber auch zu korrespondierenden Künsten wie der Literatur erfahrbar werden. Die gesamte Vielfalt des Jazz in Kunst und Gesellschaft, so zumindest mein Anspruch, sollte sichtbar werden. Daraus ergab sich fast von selbst der Name „Enjoy Jazz. Festival für Jazz und Anderes“.
Der Karlstorbahnhof war die räumliche Keimzelle dieses Prozesses und ist bis heute ein zentraler Partner des Festivals geblieben. Viele großartige Events hätte es ohne diese synergetische Kooperation nie gegeben. Bis heute ist der Karlstorbahnhof so etwas wie die gefühlte Heimat von Enjoy Jazz: der Ort, an den wir immer wieder gerne zurückkehren. Und das seit bald 25 Jahren. Die wunderbaren neuen Räumlichkeiten, das damit einhergehende noch offenere Gesamtkonzept, die noch weitergehende Einbindung in die Quartiers- und Stadtgesellschaft, das diverse und dabei nach wie vor sehr kenntnisreich zusammengestellte Programm mit seinen unverzichtbaren soziokulturellen Impulsen – all das sind mehr als gute Gründe, dem Karlstorbahnhof auch an diesem neuen Ort tief verbunden zu bleiben, er ist mehr denn je unverzichtbar für Heidelberg und die Kultur-Region.
Rainer Kern, ist Gründer, Direktor und künstlerischer Leiter von Enjoy Jazz und ein international tätiger Kulturmanager. Er verantwortete die erfolgreiche Bewerbung Mannheims als UNESCO City of Music. Aktuell ist er u.a. Sprecher des globalen UNESCO-Musikstädte-Netzwerks und berät weltweit Städte bei der Etablierung nachhaltiger Entwicklungsstrategien durch Kunst und Kultur.